01. Dezember 2019
Allgemein Gelebtes

Bevor es knallt

Gute Kommunikation ist uns nicht naturgegeben. Ganz im Gegenteil, was wir täglich aussprechen, führt viel zu oft zu persönlichen Verletzungen, zum bleibenden Konflikt, bringt uns eben nicht näher, sondern entfernt uns immer weiter voneinander. Die Regeln gelingender Kommunikation sind einfach, aber die Erfahrungen, die alten Muster so eingeschliffen, dass ein Wandel viel praktische Übung braucht.

Meine tägliche Aufgabe ist es in Gesprächen zu klären, Konflikte zu schlichten, das Miteinander wieder in Gang zu bringen, zu fördern. Und dann sitze ich da privat und denke: „Dem könntest du jetzt den Hals umdrehen!“

Und da kommt der Moment, selber zu leben, was ich anderen empfehle.

  • Was genau ist denn sachlich, faktisch passiert?

Keine Bewertung, keine Verurteilung, kein Angriff! Nicht „das ist bei dir immer so“, „nie machst du das“, kein „du bist solch ein …“. Das ist eben nicht einfach, denn wir alle werden früh und konsequent auf das Fehlverhalten anderer sozialisiert.

  • Dann kommt die Frage nach meinem Gefühl in solch einer kritischen, mich belastenden Situation.

„Was fühle ich denn gerade wirklich?“ Dafür habe ich eine Liste von 68 möglichen Gefühlen. Bin ich verärgert, sauer, irritiert, genervt oder erschrocken? Gefühle werden in unserer Gesellschaft als unnötige Störfaktoren gesehen. Fatal, denn Gefühle sind da, ob man will oder nicht. Und sie sind wichtig und müssen kommuniziert werden.

  • Im nächsten Schritt schau ich auf meine Bedürfnisse, die gerade verletzt werden.

Auch da habe ich eine Liste. Mal angenommen, ich bin in dem Fall richtig genervt. Dann könnte dahinter ein Bedürfnis nach Privatsphäre stehen. Oder auch Verlässlichkeit, Entspannung …. Das ist individuell sehr unterschiedlich.

  • Und dann kommt meine spezifische Bitte.

Immer! Keine Forderung! Eine konkrete Tätigkeit, die er oder sie auch ausführen kann. „Kann“ heißt, er oder sie muss nicht. Das kommt aber selten vor.

Keiner hat gesagt, dass es leicht ist. Aber für ein breites, wertschätzendes Miteinander sind die vier Schritte (keinen auslassen) ein erstklassiges Erfolgsrezept. Und letztendlich teilen wir in jeder Konfliktsituation nicht nur gegen den anderen aus, der es ja verdient haben könnte, sondern immer auch gegen uns selbst. Wir alle zahlen einen viel zu hohen Preis.

Um mich dann auch wirklich klar, ehrlich und respektvoll auszudrücken, halte ich mich an das, was ich schriftlich festgehalten habe:Ich habe in dieser Woche an fünf Abenden um 20.30 jeweils ein geschäftlichen Anruf von Ihnen bekommen. Ich bin irritiert, denn ich brauche, wie bereits gesagt, nach 18.00 Zeit für meine Privatsphäre. Bitte rufen Sie mich doch in der Woche von 8.00 bis 18.00 Uhr an.“

Zu verdanken haben wir dieses Kommunikationsmodell Marshall B. Rosenberg. Ich durfte ihn noch live erleben. Mehr als drei Jahrzehnte bot er Seminare auch in Krisen- und Kriegsgebieten auf der ganzen Welt an.