23. Februar 2020
Allgemein Gelesenes

Doch zu viel Harmonie

Kein seltener Auftrag: „Eine unserer Führungskräfte schlägt verbal derart um sich, dass vermehrt Kollegen nicht mehr bereit sind mit ihr zusammenzuarbeiten.“ Auf meine Frage: „Wie lange ist das schon so?“ kommt die Antwort: „Eigentlich schon immer!“ – Und wie lange ist schon immer?“ – „So sechs Jahre“. Das oder Ähnliches hört man häufig in Unternehmen mit einer überwiegend persönlichen, kollegialen Kultur.

Auch zu viel Harmonie hat seine Schattenseiten, kostet seinen Preis. Die Konflikte sind nicht weg, nur weil sie nicht öffentlich gemacht, unter den Tische gekehrt werden. Das Buch von Thomas Vašek „Die Weichmacher“ lohnt sich für all die, die feststellen müssen, immer harmonisch läuft auch schief. Unternehmen brauchen Dissens, offene Auseinandersetzung, Konfrontation. Wer niemanden konfrontieren will, macht sowohl unternehmerisch, als auch menschlich einiges falsch.

Längerfristige Beziehungen basieren auf Transparenz, Ehrlichkeit und Vertrauen. Das erfordert Mut, auch mal deutlich die Wahrheit zu sagen. Fortschritt entsteht aus Konflikt. „Hat der Mitarbeiterin mal jemand gesagt, dass sie um sich schlägt und dass das so nicht geht?“ – „Nein!“ 

Wenn es dann gar nicht mehr geht, knallt es richtig. Und das ist nicht fair, denn genau das widerspricht einer kollegialen Kultur. Wie kann die Mitarbeiterin an ihrem Verhalten etwas ändern, wenn es ihr nicht deutlich gesagt wird? Stattdessen folgt die Kündigung nach sechs Jahren, in der Wahrnehmung der Betroffenen aus dem Nichts. Da höre ich dann häufig: „Na, sie hätte das schon auch merken können, dass ihr Verhalten nicht okay ist!“.

Das Buch „Die Weichmacher“ empfehle ich denen, die anregende Konfrontation aushalten und die sich an der einen oder anderen Stelle gerne schmunzelnd ertappt fühlen.