14. September 2020
Allgemein Gelebtes

Gehört und gesehen werden

Gehört und damit auch gesehen zu werden, ist für uns Menschen lebensnotwendig – und kommt immer öfter zu kurz. Aber was bedeutet Zuhören überhaupt? Gibt es unterschiedliche Arten und verschiedene Anlässe, wo ein „anderes“ Zuhören gefragt ist?

Ein kurzer persönlicher Check: Wenn jemand zu Ihnen spricht,

  1. denken Sie darüber nach, was Sie sagen könnten, während der andere noch spricht?
  2. unterbrechen Sie ihn, bevor er seine Gedanken zu Ende geführt hat?
  3. erlauben Sie ihm, sich zu beschweren, ohne gleich mit ihm zu diskutieren?
  4. geben Sie Ratschläge, ohne danach gefragt worden zu sein?
  5. teilen Sie ihm gleich ähnliche Erlebnisse mit, oder lassen Sie ihn seine Erfahrung ausführlich beschreiben?
  6. gehen Sie davon aus, dass Sie bereits wissen, was der andere sagen wird, bevor er ausgeredet hat?
  7. urteilen Sie darüber, wer es wert ist, angehört zu werden und wer nicht?
  8. nehmen Sie Kritik an, ohne sich gleich zu verteidigen?
  9. geben Sie vor zuzuhören, wenn Sie es eigentlich nicht tun?
  10. glauben Sie, dass andere Menschen Sie für einen guten Zuhörer halten?

Die erste Reaktion in einem Workshop ist meist: „Genau so einen Typ haben wir bei uns in der Abteilung!“ Nicht selten folgt dann aber auch: „Oh! Daran müsste ich selber noch arbeiten.“

Es ist eine Frage der Unternehmenskultur, welche Arten von Zuhören gewünscht und gewollt sind. Was, wenn man jemanden braucht, der 20 Minuten nur zuhört, nichts dazu sagt. Erlaubt, gefördert oder wird das kritisch gesehen?

Vieles ist uns nicht bewusst. Niemand würde einem Fahrradfahrer, der gestürzt und dessen Bein verdreht ist, erstmal die eigene Geschichte erzählen: „Ah, ist mir auch schon passiert, tat sehr weh, habe vier Wochen im Krankenhaus gelegen, war ein ganz komplizierter Bruch ……….“. Die normale Reaktion: Klappe halten, zuhören, einfach da sein, beruhigen bis der Krankenwagen kommt!

Wenn es allerdings einem Kollegen schlecht geht, sein Vater gerade dement wird, und er zu erzählen beginnt, passiert nicht selten: „Kenne ich, meine Mutter haben wir vor zwei Jahren auch in ein Heim bringen müssen, ging gar nicht mehr, heute erkennt sie uns nur noch selten, war ganz grausam für mich …“ Das hilft nicht, ganz im Gegenteil. Einfach Klappe halten, zuhören, mal nur für den anderen da sein!

Man kann warten, bis die anderen endlich mal zuhören. Oder man fängt selber an – und hört zu.