06. Oktober 2020
Allgemein Gewagtes

Wenn Ziele konkurrieren

Mit einem Strahlen in den Augen erklärte Lucien Favre vor dem Supercup gegen die Bayern, dass Dortmund beim Spiel gegen Augsburg einen Rekord von 80% Ballbesitz erreicht hat, das Spiel gar nicht so schlecht war. Man könnte es auch als Desaster deuten, ein Spiel bei 80% Ballbesitz mit 0:2 zu verlieren.

Die Vereinsspitze traut sich nicht mehr öffentlich über das Ziel Meisterschaft zu sprechen: „Dazu sagen wir nichts mehr, im letzten Jahr haben wir es ausgesprochen – und dann ist es schiefgegangen.“

Beim BVB sieht es doch offensichtlich so aus, dass der Trainer Favre unbewusst ein anderes Ziel verfolgt. Ihm geht es, wie er immer wieder in seinen Aussagen betont, vor allem um Ballbesitz und Geduld. Dann ist er enttäuscht, wenn das so nicht klappt.

Sein Kommentar am Ende der letzten Saison: „Über die Bayern brauchen wir gar nicht reden.“ Er lässt  sich ausgiebig über die Qualität von Gladbach und Leverkusen aus. Das ist der Blick nach unten und nicht nach oben, an die Spitze. Wenn der Zweite im Spitzensport nicht Erster werden will, wer dann? Favre bekennt sich seit über zwei Jahren nicht zu dem Ziel Meisterschaft. Wenn jemand das nicht ausspricht, dann denkt er es auch nicht! Wenn er es nicht denkt, dann handelt er nicht so – niemals mutig genug.

Auch die Spieler spüren das. Nicht nur, dass die Mannschaft Spiele verliert, die sie nicht verlieren müsste. Die Spitzenspieler, die immer wieder hochgepriesenen Talente, werden demotiviert. Wenn Superstar Haaland einen guten Lauf hat, dann im Supercup, den man mit ihm auch hätte gewinnen können, auf die Bank muss, dann prophezeie ich, geht das auch diese Saison wieder richtig in die Hose. Der Trainer schont seine Stars, wenn es drauf ankommt – statt sie zu fordern. Er bremst sie aus, wenn sie gerade den richtigen Lauf haben. Zur Sicherheit!

Was hat das mit Unternehmen zu tun? Auch hier gilt es, sich hohe Ziele zu setzen und die zu erreichen. Auch da verfolgen Führungskräfte, egal auf welcher Ebene und in welchen Abteilungen, nicht selten unterschiedliche Ziele, nicht wirklich das eine, als Spitzenunternehmen erfolgreich zu sein. Weil man glaubt, das müsste doch selbstverständlich sein.

Das Problem kann dann gelöst werden, wenn man genau zuhört, worüber jemand spricht. Lassen Sie Ihre Spitzenleute ihre Ziele benennen, um zu erkennen, wo etwas nicht stimmt.

Wertschätzend natürlich! Dann kann derjenige sein Ziel korrigieren – oder er kann es vom Persönlichkeitstyp eben auch nicht. Aber dann muss es ein anderer machen.