31. August 2021
Allgemein Gewagtes

Narzissten

Im Vorstellungsgespräch trat der Bewerber sehr selbstbewusst auf, stellte seine besonderen Stärken klar heraus, beeindruckte. Der Abteilungsleiter war überzeugt: „Ja, das ist genau der Mann, den wir brauchen!“. Im Berufsalltag wendete sich das Blatt schnell, es häuften sich die Beschwerden, dass andere nicht mit ihm zurechtkommen.

So herrscht während einer Teamarbeit plötzlich eine aufgebrachte Stimmung. Der neue Kollege hat etwas eingebracht, worüber alle heftig diskutieren. Sie lehnen diesen Beitrag ab. Als Außenstehender denkst du auf den ersten Blick, verstehe ich nicht, passt doch. Nicht das, was bereits am Flipchart steht, ist das Entscheidende, sondern das, was er beiläufig dazu gesagt hat: „Ich bin ja eingestellt worden, weil ich eben kein normaler Mitarbeiter bin.“ Gestritten wird aber nicht über diese Abwertung aller anderen im Team, sondern über den an sich positiven Beitrag. Der wird nach viel Diskussion umbenannt. Er hat seinen Auftritt und meint zum Schluss: „Ist doch auch okay, ich weiß gar nicht, was ihr habt.“

Der Neue spielt Kollegen gegeneinander aus, hebt deutlich hervor, dass er – und zwar er allein – etwas Besonderes ist. Übt man Kritik an ihm, wird er aggressiv und verbreitet Lügen. Seine Leistung lässt erheblich zu wünschen übrig.

Die Personalentscheidung war ein Fehlgriff, denn der neue Kollege ist ein Narzisst. Man soll ja vorsichtig sein mit Aussagen: „Der ist ein …“. Man könnte vielleicht sagen, ein Teil seiner Persönlichkeit hat narzisstische Ausprägungen oder möglicherweise hat derjenige eine narzisstische Störung. Die Praxis zeigt immer wieder, in dem Fall hilft keine Relativierung.

Narzissten sind Meister des subtilen Spiels. Sie verfügen über kognitive Empathie, die sie bei Bedarf einschalten können, um Gesprächspartner, nicht selten den Chef, in ihrem Sinne zu manipulieren. Die Empathie ist nur gedacht und nicht gespürt.

Und das Fatale: Das Verhalten von Narzissten ist Selbstschutz. Sie wollen ihre Schwächen nicht spüren und schon gar nicht zeigen. Man kann sie nicht zu „besseren Menschen“ entwickeln, ein Unternehmen ist keine therapeutische Einrichtung. Um ihnen wirklich zu helfen, müsste man sie mit positivem Feedback stärken, so dass sie das fehlende Selbstwertgefühl aufbauen können. Nur beißt sich da die Katze in den Schwanz, denn was an all dem negativen Verhalten können Sie loben? Und das Loch, das es zu stopfen gilt, ist viel zu groß.

Es gibt nur eine Lösung, sich konsequent zu trennen! Und nicht damit hadern, dass man eine Fehlentscheidung getroffen hat. Man erkennt Narzissten selten auf den ersten Blick, denn spielen ihre Rolle gut. Das haben sie ein Leben lang geübt.