06. Oktober 2019
Allgemein Gelesenes

Resonanz – Soziologie eines guten Lebens

Das Buch von Hartmut Rosa hat mich gepackt. Dass das Leben eben nicht zwingend gelingt, wenn wir reich an Ressourcen und Optionen sind. Seine These ist, dass es im Leben auf die Qualität der Weltbeziehung ankommt, wie wir mit der Welt in Resonanz treten,wie wir als Mensch Welt (Familie, Freunde, Natur, Politik, Kunst, Arbeit, Dinge) erfahren und wir zu ihr Stellung beziehen.

„Manche Menschen fühlen sich im Leben aufgehoben und getragen. Andere hingegen fühlen sich eher in die Welt geworfen und ihr ausgesetzt.“

Wer spürt heute noch Resonanz zu unseren Staatsvertretern? Nur „sachzwangdominiertes“, alternativloses Agieren und permanente Anpassungszwänge, statt Antworten auf die wichtigen Fragen. Sind wir Teil der Wegwerfgesellschaft oder hängen wir noch an den Dingen? Bedeuten sie uns etwas, dann behalten wir sie, schmeißen sie nicht sofort wieder weg.

Geht es im Sport nur noch um Steigerungs- und Optimierungszwänge bis hin zum Wahn? Wir laufen mit einem Schrittzähler blind und taub durch den Wald, nehmen die Natur, die Menschen um uns herum, das Lebensgefühl nicht mehr wahr. Niemand wird auf dem Sterbebett auf den Schrittzähler schauen, um an einer wahnsinnig hohen Zahl den Wert seines Lebens zu bemessen.

Für mich war das Buch ein spannender Resonanzboden mit einigen reflektierenden Fragen. Bin ich denn eigentlich in Resonanz mit meinen Kunden, mit meinen Teilnehmern in den Workshops – und zwar mit jedem Einzelnen? Ich glaube, genau das macht doch letztendlich den Großteil des Erfolgs aus.

Und gleichzeitig schau ich mit Staunen auf junge Paare, einerseits Händchen haltend und mit der freien Hand das Smartphone bedienend. Früher sagte man in einer langen Ehe: „Wir haben uns auseinandergelebt“. Vielleicht sagt man in Zukunft: „Wir begannen nebeneinander und haben uns dann zusammengelebt“? Ich habe Zweifel.

Und in fast jedem Unternehmen höre ich inzwischen: „Wir reden nicht mehr miteinander“ – oder zumindest weniger. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Zeitmangel, zu viel Stress, zu viel Druck. Die Folge: Das Geschäft klappt dann einfach nicht, es treten vermehrt Fehler auf, die Motivation sinkt, die Konflikte nehmen zu.

Vielleicht lohnt es sich, über den Faktor „Resonanz“ zu einer gelingenden Welt- und Arbeitsbeziehung mal nachzudenken. Und wir können aktiv dazu beitragen, dass die Anzahl von Menschen, die sich wie eine Postwurfsendung fühlen, nicht weiter zunimmt.