23. Februar 2023
Allgemein Gelebtes

Überraschende Kulturentwicklung

Ab 20 Beschäftigten müssen Unternehmen Sicherheitsbeauftragte (SiBes) benennen. Das geht meist so: „Du machst das ab jetzt!“. Mehr kommt dann nicht, Norm erfüllt, ein Titel ohne Aufgabe. Eigentlich sollen die SiBes Gefahren melden, beseitigen, Kollegen auf Vorgaben hinweisen, wie zum Beispiel in der Produktion Helme und den Gehörschutz zu tragen, Notausgänge nicht zu blockieren, dass Gabelstaplerfahrer sich an die Streckenführung halten, dass Mitarbeiter sich draußen innerhalb der gekennzeichneten Gehwege bewegen, damit sie nicht vom LKW überfahren werden.

„Oh, ist ja ein toller Job???“. Es wird niemand dafür entlohnt, das ist ein Ehrenamt. Die Gespräche sind nicht immer leicht zu führen, die Kollegen sind meist uneinsichtig, bequem, huschen lieber mal unter der Maschine durch als außen rum zu gehen. 

Die lockere Handhabung ändert sich bei einem meiner Kunden mit dem neuen Werksleiter. Nun gilt wirklich: „Sicherheit zuerst!“. Für uns, der internen Fachkraft für Arbeitssicherheit und mich als Kommunikationsexpertin und Moderatorin, lautet die Herausforderung, ein höheres Sicherheitsbewusstsein zu schaffen und die SiBes für die anstehenden Gespräche mit den Kollegen fit zu machen.

„Nichts leichter als das?“ – „Ja stimmt!“ Die Rückmeldung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Werkleiters nach dieser Workshopreihe: „Danke! Es war fantastisch.“

Hatten die beiden was genommen oder habe ich sie bestochen? Nein, beides nicht.

Trotz Mehraufwand, trotz der herausfordernden Aufgabe, unangenehme Gespräche führen zu müssen, blieben alle 50 Mitarbeiter an Bord. Jeder hat sich am Ende entschieden: „Ja, ich möchte Sicherheitsbeauftragter bleiben, weil …“

  • Sicherheit im Unternehmen ein positives Thema ist. Da sagt niemand: „Das will ich aber nicht!“ Es macht Sinn!
  • Der zweite Grund ist die Zugehörigkeit, zu dieser Gruppe gehören zu können. Das erfüllt viele mit Stolz!
  • Und drittens haben alle erlebt, wie leicht man wertschätzend und mit Erfolg beim Kollegen kritische Themen ansprechen und das entsprechende Verhalten einfordern kann.
  • Und viertens waren wir auch nicht schlecht, ein exzellentes Team.

Diese Workshops haben entscheidend zu einer positiveren Kultur beigetragen. Die neuen SiBes werden zukünftig von den Kollegen empfohlen. Das ist dann so etwas wie eine Ehre, ohne es zu hoch aufhängen zu wollen. Es signalisiert: „Ihr selber könnt mitbestimmen, ihr werdet intensiv beteiligt, denn nur dann trägt es.“

Und über eines waren die Gruppen sich sehr schnell einig: „Wir wollen hier niemanden dabeihaben, der die Aufgabe nutzt, um Macht über andere ausüben zu können.“

49 SiBes haben wir im letzten Jahr in vier Gruppen intensiv begleitet. Weitere 50 werden in diesem Jahr noch folgen.